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Forchheim  – Einigen Hebammen, die sich spät angemeldet hatten, musste abgesagt werden, denn die hundert Plätze im Konferenzraum waren voll belegt als das Klinikum Forchheim-Fränkische Schweiz in Kooperation mit dem Landratsamt zum Hebammenkongress einlud.

Landrat Dr. Herman Ulm zeigte sich angesichts der hohen Teilnehmerzahl begeistert und lud diese in seiner Begrüßung ein, gleich im Landkreis Forchheim zu bleiben, denn hier besteht ein Hebammenengpass in der ambulanten Betreuung: Bei weit über 1.000 Geburten stehen nur 16 niedergelassene Hebammen zur Verfügung.

Steilvorlage Rückkehrprogramm für Hebammen

Die Schirmherrin der Veranstaltung, Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Gesundheitsausschuss Emmi Zeulner aus Lichtenfels, lieferte mit ihrer Position zur im Bundeskabinett beschlossenen Hebammenausbildung mit Pflichtstudium eine Steilvorlage:  Sie fordert die Möglichkeit einer Nachtitulierung für alle Hebammen, die vor der endgültigen  Umstellung ihre Ausbildung abgeschlossen haben. Außerdem spricht sie sich für ein gesetzlich geregeltes, finanziell attraktives Rückkehrprogramm für Hebammen aus, die längere Zeit im Beruf pausiert haben. Schließlich regt sie an, dass das Hebammenstudium in Nordbayern angeboten werden solle, damit es auch zukünftig „Hebammen made in Oberfranken“ gäbe.

Hebammenvermittlungsportal

Nach der Entbindung verlässt jede fünfte Mutter die Geburtsstation am Klinikstandort Forchheim ohne eine Wochenbettversorgung. Daher warb Bärbel Matiaske, die Geschäftsstellenleiterin der Gesundheitsregion plus im Gesundheitsamt, für das Vermittlungsportal für Hebammenhilfe, das seit Juni online ist unter www.hebammeforchheim.de.

Natürliche Geburtshilfe und Beckenbodenschutz

Im Anschluss referierten Dr. Stefan Weingärtler, Chefarzt der Frauenklinik am Klinikum, und Petra Loher-Fischer, leitende Hebamme, über neue Aspekte der beckenbodenorientierten Geburtshilfe. Die große Belastung für den Beckenboden durch die Schwangerschaft legt bei vielen Frauen den Grundstein für spätere Beschwerden, die vielleicht erst zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auftreten. Ein Kaiserschnitt kann dieses Problem nicht lösen, so dass die Geburtshilfe des Klinikums eine möglichst natürliche Geburtshilfe vorzieht.

Frauen besser behandeln

„S 3-Leitlinie zur Geburt am Termin“ klingt nach einem staubtrockenen Thema, aber Prof. Dr. Frank Louwen, Leiter der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Klinikum der Goethe Universität in Frankfurt, hat Großes vor: Er möchte Frauen besser behandeln. Diese würden oft unterdiagnostiziert. So gehe ein Herzinfarkt bei Männern häufig mit heftigen Schmerzen in der Brust einher, die in den Arm ausstrahlten. Viele Frauen klagten aber über Bauchschmerzen und dadurch werde der Infarkt zu spät erkannt, erläuterte Prof. Louwen. Abhilfe sollen medizinische Leitlinien schaffen. Das sind Feststellungen, die Ärzte, Patienten und Angehörige anderer Gesundheitsberufe über Behandlungsmethoden mit dem besten Therapieerfolg informieren. Die höchste Qualität weisen die sogenannten evidenz- und konsensbasierten S 3 Leitlinien auf. Diese haben alle Elemente einer systematischen Entwicklung durchlaufen, inklusive regelmäßiger Überprüfung. Leider ist eine S 3 Leitlinie teuer, zwischen 200.000 und 250.000 Euro, daher gibt es diese lediglich für häufige Krankheitsbilder, zum Beispiel Darmkrebs. Für Krankheitsbilder bei Frauen existieren nur wenige dieser Leitlinien. Die von Prof. Louwen initiierte Deutsche Stiftung Frauengesundheit hat sich zum Ziel gesetzt, jährlich eine neue Leitlinie zu erstellen. Die Wirkung der Leitlinien sei groß, so Prof. Louwen. Der Fachzeitschrift „Frauenarzt“ mit einer Auflage von mehr als 20.000 Exemplaren, in der die Leitlinien veröffentlicht werden, könne sich kein Gynäkologe entziehen, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pränatal- und Geburtsmedizin. Er warb um Unterstützung für die Stiftung.

Zusammenarbeit in der Freiberuflichkeit

Die Leiterin der Fort- und Weiterbildungsakademie DiaLog von Diakonio – bis Mitte des Jahres Diakonie Neuendettelsau – Sigrid Schlecht-Reichert zeigte Aspekte der Zusammenarbeit unter Hebammen in der Freiberuflichkeit auf und erläuterte worauf man bei einer Kooperation achten sollte.

Stillbegleitung des saugschwachen Kindes

Schließlich sprach Lehrhebamme Manuela Burkhardt über die Stillbegleitung des saugschwachen Kindes. Sie gab zahlreiche praktische Tipps, wie beispielsweise die Mutter ihrem Kind mit einer angeborenen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte helfen kann, Muttermilch zu trinken.

 

Anne Schwick von der Hebammenpraxis Berg und Tal in Heroldsberg, die mit drei Kolleginnen zum Kongress kam, war vom Vortrag von Prof. Louwen begeistert: „Toll, wie er ein so trockenes Thema charismatisch und unterhaltsam aufbereitet hat“, schwärmte sie.

Eine andere Teilnehmerin fand die Ratschläge für das saugschwache Kind sehr gut und nimmt die Anregungen für die Betreuung im Wochenbett mit. Die Resonanz der befragten Teilnehmer war insgesamt sehr positiv.