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Ebermannstadt, 20. August 2021 – Die unreflektierte Gabe von Breitspektrumantibiotika – das sind Medikamente, die mit ihrer Wirkung ein breites Spektrum an Bakterien erfassen – begünstigt die Bildung von Resistenzen bei Bakterien und anderen Mikroorganismen. Insbesondere für immungeschwächte Menschen können diese multiresistenten Erreger (MRE) gefährlich sein, wenn sie zu einer Infektion führen. Daher sind Krankenhäuser angehalten, Antibiotic-Stewardship-beauftragte (ABS-) Ärzte auszubilden und ABS-Teams zu bilden.

Dr. med. Rüdiger Clemenz, leitender Oberarzt der Intensivstation in Ebermannstadt, ist seit Juli 2021 zertifizierter ABS-Experte nach erfolgreichem Abschluss der Fortbildung. Nach dem Basiskurs (drei Module à zwei Tage) besteht das erforderliche Seminar der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie aus drei Wochenkursen (Fellow-Kurs, Advanced-Kurs und Expert-Kurs), wobei letzterer mit einer Projektarbeit abgeschlossen werden muss.

Gezielte, kurze Behandlung mit Schmalspektrum-Penicillinen

Ziel ist es, die Strategien zur Sicherung der rationalen Antibiotika-Anwendung umzusetzen. „Konkret bedeutet es, dass wir je nach Krankheitsbild gezielt und möglichst schmal – also mit Schmalspektrum-Penicillinen – agieren, kurz behandeln und, wenn möglich, auf eine orale Folgetherapie umstellen, also weg von der intravenös verabreichten Medikation‚ per Spritze‘“, erläutert Dr. Clemenz.

Als leitender Oberarzt, Hygienebeauftragter Arzt und ABS-Experte in Personalunion ist der gebürtige Erlanger täglich bei der Visite auf der Intensivstation dabei. Diese ABS-Visiten dienen der regelmäßigen Beurteilung der antibiotischen Therapien: Was ist die Ursache für die Verordnung? Stimmt die Auswahl der Substanzen, ihre Dosierung und die Art und Weise der Medikamentengabe? Ist die Therapiedauer angemessen? Auch auf den anderen Stationen bietet er Antibiotikavisiten an und leitet die Kollegen bei der Umsetzung der Empfehlungen an. Außerdem erstellt und aktualisiert er die hausinternen, standardisierten Vorgehensweisen zu bestimmten Krankheitsbildern wie Sepsis (Blutvergiftung), Pneumonie (Lungenentzündung), Harnwegsinfekten und Staphylococcus aureus-Bakteriämien (Infektion verursacht durch dieses Bakterium). Zur kontinuierlichen Verbrauchsüberwachung werden die Daten der beliefernden Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen ausgewertet.

Antibiotikavisiten steigern und gemeinsame Leitlinien erstellen

Als ABS-beauftragter Arzt möchte Dr. Clemenz die Antibiotikavisiten in Zukunft noch ausdehnen, sodass er einmal pro Woche auf allen Stationen in Ebermannstadt mit den zuständigen Ärzten die Medikamentengabe für die Patienten mit Antibiotikatherapie besprechen sowie Impulse geben kann, was sich ändern und verbessern ließe. In Zusammenarbeit mit dem ABS-Team in Forchheim sollen die hausinternen Antibiotika-Listen vereinheitlicht und die Leitlinien gemeinsam erstellt werden. Auf der Intensivstation wird bei bestimmten Krankheitsbildern wie Staphylococcus aureus-Bakteriämie oder Endokarditis (Herzklappenentzündung) per Dauerinfusion mittels einem Perfusor – einer Spritzenpumpe – Antibiotika injiziert. Hier arbeitet die Klinik in Ebermannstadt seit Neuestem im Rahmen der Antibiotikaspiegelbestimmung, die zur individualisierten, patientengerechten Festlegung der Dosis notwendig ist, mit dem Labor des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung unter Leitung von Prof. Dr. Fritz Sörgel in Heroldsberg zusammen.

Drug Monitoring – modernste Behandlungsmöglichkeiten

Prof. Dr. Fritz Sörgel sagt: „Dies ist ein Beispiel wie auch in einer kleineren Klinik modernste Behandlungsmöglichkeiten angewendet werden. Mit dem Drug Monitoring dürfte die Ebermannstädter Klinik in ihrer Leistungsfähigkeit im oberen Drittel von vergleichbar großen Häusern stehen.

Über die Zusammenarbeit ist es möglich, dass der Standort in der Fränkischen Schweiz von den Erfahrungen anderer Kollegen in großen nationalen wie internationalen Kliniken Tipps für die eigene Therapie bekommt.“

Dieser Umgang mit Antibiotika in Ebermannstadt sei auch aus umweltpolitischer Sicht vorbildlich, so der Arzneimittelexperte: Über Dosierungen werde vermieden, dass Substanzen aus dem Krankenhaus in die Umwelt kommen und zur weiteren Resistenzbildung beitragen können.

Forchheim – Durch den unkritischen Einsatz von Antibiotika in Praxen und Kliniken sowie in der Tiermast entwickeln sich Resistenzen bei Bakterien und anderen Mikroorganismen gegen diese Medikamente. Vor rund einem Jahr hat sich das Antibiotic Stewardship (ABS)-Team gebildet, bestehend aus den zertifizierten ABS-Expertinnen Dr. Andrea Neumann und dr. med. (Univ. Pécs) Ágnes Ujváriné Porkoláb, die die Resistenzlage und den Antiinfektiva-Verbrauch des Klinikums Forchheim-Fränkische Schweiz überwachen.

Das Klinikum Forchheim Fränkische Schweiz nimmt seit Gründung des ABS-Teams einen Spitzenplatz ein bei der Vergabe von Schmalspektrum-Penicillinen (SSP) im Vergleich zu anderen Krankenhäusern mit weniger als 400 Betten. Es gehört damit zu den zehn Prozent der Krankenhäuser mit dem höchsten Einsatz an SSP. Die Verabreichung von Arzneistoffen mit einem breiten antimikrobiellen Wirkspektrum, zum Beispiel den sogenannten Carbapenemen, konnte dagegen erheblich reduziert werden. Dies ergab eine Auswertung von Daten aus der kontinuierlichen Antiinfektiva-Überwachung des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker in Kooperation mit der Abteilung Infektiologie des Universitätsklinikum Freiburg und der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (ADKA-if-DGI-Projekt, www.antiinfektiva-surveillance.de).“Früher wurden Antibiotika viel zu lange und viel zu breit eingesetzt“, erklärt die ABS-Expertin Dr. Andrea Neumann dazu.

Der Antibiotika-Verbrauch sagt aber noch nichts über die richtige Verwendung aus. Das Antibiotic Stewardship-Team hat sich daher zum Ziel gesetzt, die Verordnungsqualität von Antiinfektiva am Klinikum weiter zu verbessern, die Patientenversorgung zu optimieren und die Entwicklung von weiteren Resistenzen zu verhindern. Die Überlebenschancen von Patienten mit Infektionen steigen grundsätzlich, wenn ein ABS-Experte in die Behandlung eingebunden ist. Daher treffen sich die beiden Ärztinnen regelmäßig mit den Stationsärzten, besprechen die Antibiotika-Medikation, entscheiden, ob diese beibehalten werden soll und empfehlen Änderungen, wenn notwendig.

Neben der zunehmenden Resistenzentwicklung von Bakterien und anderer Mikroorganismen zählen die stark eingeschränkte Entwicklung neuer Antiinfektiva mit innovativem Wirkmechanismus und der Mangel an klinischen Infektiologen zu den Herausforderungen der modernen Medizin.

Das Klinikum Forchheim hat neuerdings die Möglichkeit, Antibiotika-Spiegel bestimmen zu lassen um eine optimale individuelle Dosierung zu ermöglichen. Dafür werden die Blutproben im hauseigenen Labor vorbereitet und anschließend nach Heroldsberg in das Labor des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung von Prof. Dr. Fritz Sörgel verschickt.